sensefull alternative text

17. Januar 2022

Abfall als Kraftstoff: Vom „Fluxkompensator“ bis zur Brennstoffzelle WSW-Busse fahren mit „grünem“ Wasserstoff durch Wuppertal

Als Doc Brown in der letzten Szene des 80er-Jahre-Kultfilms „Zurück in die Zukunft“ den „Fluxkompensator“ der DeLorean-Zeitmaschine mit Abfall statt Sprit betankte, da war es noch Science-Fiction. Heute macht der WSW-Konzern vor, dass auch Linienbusse nachhaltig mit Müll betrieben werden können. Wie das genau funktioniert und was der VRR damit zu tun hat, das erklären wir Ihnen im neuen Teil unserer Serie zur ÖPNV-Investitionsförderung im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr.

EU, Bund, Land und VRR fördern umweltfreundliche Mobilität

Zugegeben: Die 20 Linienbusse der WSW, von denen in diesem Artikel die Rede ist, werden natürlich nicht direkt mit Abfall „betankt“, sondern mit Wasserstoff. Und doch ist es der Müll der Wuppertaler*innen, der dies überhaupt erst möglich macht. Klingt nachhaltig? Ist es auch. Denn im konzernweiten Projekt „H2-W Wasserstoffmobilität für Wuppertal“ stellt die WSW Wasserstoff mit Strom aus dem Müllheizkraftwerk der WSW Tochter AWG her und nutzt diesen für den Betrieb emissionsfreier Brennstoffzellen-Busse.

Im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) flossen Fördermittel des Bundes ein. Die Umsetzung der Förderrichtlinie wurde durch die NOW Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie koordiniert.

Weitere Förderungen erfolgten im Zuge des EU-Projektes JIVE und JIVE2 vom EU-Programm „Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking“ (FCH JU) sowie durch die INEA mit dem EU-Programm MERHLIN – und auch der VRR unterstützt die „grüne“ Mobilität in Wuppertal als Bewilligungsbehörde der Landesmittel für Infrastrukturmaßnahmen in besonderem Landesinteresse nach § 13 ÖPNVG NRW.

Ein Wasserstoffbus am Busbahnhof

Selbst hergestellter Wasserstoff für lokal emissionsfreie Brennstoffzellen-Busse

Damit die aktuell 20 umweltfreundlichen und nahezu emissionsfreien Brennstoffzellen-Busse im Wuppertaler Stadtgebiet eingesetzt werden können, arbeiten drei Konzerntöchter – die WSW mobil GmbH, die AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal und die WSW Energie & Wasser AG – eng unter dem Dach der Wuppertaler Stadtwerke zusammen. Rund 400.000 Tonnen Abfall werden jährlich im Wuppertaler Müllheizkraftwerk (MHKW) verbrannt, um Wärme und Strom zu erzeugen.

Mit dem Strom betreiben die Stadtwerke unter anderem einen sogenannten Elektrolyseur, eine Anlage, in der Wasser unter Einsatz von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Der so gewonnene Wasserstoff wird verdichtet, gespeichert und steht zur Betankung der Brennstoffzellen-Busse zur Verfügung.

In der Brennstoffzelle des Busses läuft der oben beschriebene Elektrolyse-Prozess dann – vereinfacht gesagt – rückwärts ab, um die für den Betrieb des Elektromotors nötige Energie zu gewinnen: Wasserstoff und Luftsauerstoff reagieren in einer Brennstoffzelle. Hierbei entsteht neben Wärme und Wasser auch elektrische Energie, die den Motor des Linienbusses antreibt.

Das folgende Schaubild zeigt den gesamten Prozess vom Abfall bis zum Brennstoffzellen-Antrieb.

Eine Grafik zeigt den Prozess wie Abfall über das Müllheizkraftwerk zu Strom und dann zu Wasserstoff verarbeitet wird, mit dem dann die WSW-Busse getankt werden.

„Grüner“ Wasserstoff für einen klimafreundlichen Nahverkehr

Ihren ökologischen Vorteil spielen Brennstoffzellen-Busse besonders dann aus, wenn sie mit Wasserstoff aus „grünem“ Strom betrieben werden. Genau dies ist in Wuppertal der Fall: Der Anteil an biogenen Abfällen im Wuppertaler Müllheizkraftwerk liegt bei über 50 Prozent. Entsprechend entsteht bei der Verbrennung größtenteils „grüner“ Strom, der dann für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff genutzt werden kann. Die Brennstoffzellen-Busse selbst fahren lokal emissionsfrei und sind damit besonders klimafreundlich.

Im Hinblick auf ihre Leistung stehen sie Dieselfahrzeugen in nichts nach. „Die neuen Busse können 35 Kilogramm Wasserstoff tanken und haben mit mindestens 350 Kilometern eine ähnliche Reichweite wie ein Dieselbus. Außerdem sind sie sehr leistungsstark und haben eine bemerkenswert gute Beschleunigung – und das sogar bei den vielen Steigungen in Wuppertal“, so Julian Holz, Projektingenieur bei der WSW mobil GmbH. „Damit ersetzt die neue Technologie für uns 1:1 den Diesel und ist zusätzlich noch wesentlich klima- und umweltfreundlicher.“

Ein Bus an einer Wasserstoff-Tankstelle
"Einmal volltanken, bitte": Ein Wasserstoffbus an seiner Tankstelle.

Wasserstoff-Speicherung als wesentlicher Erfolgsfaktor

Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Projektes ist die Möglichkeit, den produzierten Wasserstoff zu speichern. Denn so kann die Produktion des Wasserstoffs von der Betankung der Busse entkoppelt werden. „Wir produzieren Wasserstoff, wenn die Preise am Strommarkt vergleichsweise günstig sind und speichern das gewonnene Gas in einem 450 Kilogramm umfassenden Speichermodul auf dem Kraftwerksgelände. So können die Busse jederzeit und unabhängig vom Strommarkt betankt werden“, erklärt Andreas Meyer, Leiter Fahrzeugtechnik bei der WSW mobil GmbH.

Genau hier setzte die vom VRR bewilligte Landesförderung nach § 13 ÖPNVG NRW an und bezuschusste den Wasserstoffspeicher der WSW mit 1,1 Millionen Euro. Die Speicherung von Wasserstoff ist wichtig, damit solche Vorhaben wie in Wuppertal nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich realisiert werden können.

Jede und jeder Einzelne merkt am eigenen Geldbeutel, wie sich die Kosten für Energie entwickeln. Deshalb ist es natürlich auch für ein Verkehrsunternehmen sinnvoll, den benötigten Kraftstoff für eine Busflotte genau dann zu gewinnen, wenn die Preise möglichst niedrig sind. Hierin unterscheiden sich die Brennstoffzellen-Busse ganz wesentlich von elektrisch betriebenen Bussen, deren Batterien in regelmäßigen Abständen direkt über das Stromnetz zum dann jeweils gültigen Preis geladen werden müssen – egal ob er niedrig oder hoch ist.

  • Ein Wasserstoffspeicher
    Die Kompressoreinheit (links) und die vom VRR geförderte Wasserstoff-Speichereinheit.
  • Detailansicht der Kompressoreinheit
    Die Kompressoreinheit von der Seite ...
  • Detailansicht der Kompressoreinheit
    ... und ein Blick hinein.
  • Der Elektrolyseur
    Eine Gebläseeinheit ist über dem sogenannten "Elektrolyseur"-Container platziert.
  • Ein Wasserstoffbus
    Perspektivwechsel: Der Elektrolyseur hier der Linke der zwei grauen Container.

Immer mehr Verkehrsunternehmen setzen auf Brennstoffzellen-Antrieb

Das Wasserstoff-Projekt der WSW zeigt, dass innovative Antriebstechnologien, wie die Brennstoffzelle, erfolgreich im ÖPNV-Linienbetrieb eingesetzt werden können – und dies sogar in Regionen wie dem Bergischen Land, die eine anspruchsvolle Topografie aufweisen.

Die ersten zehn Wasserstoff-Bussen nahmen bereits im Jahr 2020 den Linienbetrieb auf. Seit Jahresbeginn 2022 sind zehn weitere Brennstoffzellen-Busse im Nahverkehrsnetz von Wuppertal unterwegs. Auch hier war der VRR wieder mit an Bord und hat Landesmittel in Höhe von 1,2 Millionen Euro für die Anschaffung der neuen Busse bewilligt.

Vor dem Hintergrund der angestrebten Verkehrs- und Energiewende beschaffen Verkehrsunternehmen immer häufiger Busse, die lokal emissionsfrei fahren, wenn sie ihre Flotten erneuern. Gabriele Matz, Leiterin der Investitionsförderung beim VRR, erklärt: „Anfangs beschafften die kommunalen Verkehrsbetriebe im VRR fast ausschließlich Batteriebusse. Seit einiger Zeit setzen sie aber verstärkt auf Linienbusse mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb. So plant beispielsweise die Ruhrbahn GmbH Investitionen in eine Wasserstoff-Busflotte. Und auch in Krefeld und Düsseldorf gibt es erste Überlegungen, zukünftig Busse mit Brennstoffzellen-Antrieb im Linienbetrieb einzusetzen.“

  • Ein Wasserstoffbus und die Wuppertaler Schwebebahn
    Der VRR fördert die Anschaffung von Wasserstoffebussen ...
  • Die Wasserstoff-Speichereinheit
    ... oder auch Wasserstoff-Speichereinheiten - wie hier im Müllheizkraftwerk Wuppertal.
Wibke Hinz

Von Wibke Hinz
PR-Redakteurin


Zurück zur Übersicht

VRR-Newsletter

Jetzt abonnieren!