Jahresrückblick 2023: Strategiekonzept „Verkehr und Mobilität im VRR 2030/2045“
Schwere Unwetter, Dürren, Wasserknappheit und schmelzendes Polareis sind nur einige Beispiele für die teils drastischen Folgen des Klimawandels. Entsprechend eindeutig sind die Klimaschutzziele: Im Jahr 2045 soll der Verkehr klimaneutral sein. Welche Ziele und Aufgaben ergeben sich hieraus in den nächsten Jahrzehnten für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in unserem Verbundgebiet? Dieser Frage widmen wir uns in unserem Strategiekonzept „Verkehr und Mobilität im VRR 2030/2045“.
Eine reine Antriebswende wird unsere Probleme nicht lösen
Treiber des Klimawandels ist der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgasemissionen. Diese entstehen insbesondere durch die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Zu den größten Emittenten zählt der Verkehrssektor. Es wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten also darum gehen, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgasemissionen im ÖPNV massiv zu reduzieren.
Ein Ansatz ist die sogenannte Antriebswende, bei der öffentliche Verkehrsmittel nach und nach auf umwelt- und klimafreundliche Antriebstechnologien umgestellt und die benötigte Primärenergie nur noch aus erneuerbarem Strom gewonnen werden soll. Dieser Wandel ist nötig, aber bei Weitem nicht ausreichend, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
Herausforderungen für die Mobilitätswende
Mindestens genauso wichtig ist eine erfolgreiche Mobilitätswende: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Verkehre vom Auto auf den Umweltverbund zu verlagern und insbesondere den Anteil des ÖPNV am Modal Split deutlich auszuweiten.
Deutlich ausweiten, das heißt im VRR: Wir müssen die Leistungen im Regionalverkehr und im kommunalen Nahverkehr nahezu verdoppeln. Gleichzeitig gilt es, die Fahrten mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) zu reduzieren und Verkehre bestenfalls gänzlich zu vermeiden, um die ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen.
Ein solcher Leistungsaufwuchs gelingt nicht von heute auf morgen – und setzt voraus, dass alle Mobilitätsakteure gemeinsam an einem Strang ziehen. Denn die Herausforderungen sind riesig: Der Fachkräftemangel, infrastrukturelle Engpässe sowie Kriege und Krisen mit globalen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben immer auch Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Verkehrssektors.
Unter die Lupe genommen: So ist die Lage im VRR
Für unser Strategiekonzept „Verkehr und Mobilität im VRR 2030/2045“ haben wir uns den verkehrlichen Status quo im VRR genau angeschaut und daraus Strategien für die Zukunft abgeleitet. Insgesamt nimmt der Verkehr im VRR-Raum zu – und zwar insbesondere auf den Hauptachsen.
Darüber hinaus gewinnen Verbindungen zwischen den VRR-Kommunen und mit Städten außerhalb unseres Verbundraumes immer mehr an Bedeutung. Der motorisierte Individualverkehr mit dem Auto hat dabei – Stand heute – eine überdurchschnittlich starke Rolle.
In der Fläche und auch zeitlich gibt es teils große Lücken im öffentlichen Verkehrsangebot. Es konzentriert sich vor allem auf die Verkehre von montags bis freitags und ist nachts und in Tagesrandzeiten relativ dünn.
Hinzu kommt, dass Menschen mit dem ÖPNV oftmals deutlich länger unterwegs sind als mit dem Pkw. Um Fahrgäste für den Öffentlichen Personennahverkehr zu gewinnen, ist deshalb eine hohe Qualität der Leistungen von ganz entscheidender Bedeutung: Neben einem guten Fahrplanangebot sind hierbei auch „weiche“ Faktoren wie beispielsweise Zuverlässigkeit, Sicherheit, Sauberkeit und Information besonders wichtig.
VRR als Koordinator, Impulsgeber und Unterstützer
Um den öffentlichen Verkehr für die Zukunft zu rüsten, definieren wir gemeinsam mit unseren Partnern in NRW ein Zielnetz 2045, das den Klimaschutzzielen entspricht und dabei – räumlich differenziert – Verkehre vom motorisierten Individualverkehr auf den ÖPNV verlagert. Hierzu müssen wir die Kapazitäten deutlich steigern, vorhandene Lücken im Angebot schließen und den öffentlichen Verkehr insgesamt attraktiver gestalten. Dies gelingt nur im Schulterschluss mit allen Nahverkehrsakteuren.
Als Mobilitätsdienstleister aus der Region für die Region halten wir die Fäden in der Hand und nehmen eine koordinierende Rolle ein: nicht nur in unserer Funktion als Aufgabenträger für den SPNV, sondern auch als Impulsgeber und Unterstützer von Städten und Kreisen. Auf kommunaler Ebene bedeutet dies, das sprichwörtliche Kirchturmdenken zu überwinden und einen kulturellen Wandel zu vollziehen, da traditionell eher in den Grenzen der Gebietskörperschaften gedacht und gehandelt wird.
Nicht zuletzt braucht es einen verbindlichen Rahmen, um den öffentlichen Verkehr zukunftssicher und nachhaltig weiterzuentwickeln: durch Gesetze, konkrete Zielvereinbarungen mit der Politik und auch innerhalb der Branche.
Unsere Vision
Unsere Vision für die Zukunft ist ein attraktiver öffentlicher Verkehr mit bestmöglich verknüpften Mobilitätsangeboten. Wir schaffen Flächen für den Umweltverbund: für Bus und Bahn, für Radfahrer*innen und Menschen, die gern zu Fuß unterwegs sind. Denn das Narrativ der autogerechten Stadt sollte in Zeiten des Klimawandels endgültig der Vergangenheit angehören.
Bund und Land müssen die Finanzierung sichern
Um im nötigen Umfang Verkehre vom MIV auf den Umweltverbund verlagern zu können, bedarf es einer gesicherten Finanzierung. Bislang ruht die ÖPNV-Finanzierung auf zwei Säulen: den Fahrgeldeinnahmen und Zuschüssen der öffentlichen Hand.
In Zukunft sind auch Modelle wie eine für den ÖPNV zweckgebundene Drittnutzerfinanzierung auf kommunaler Ebene denkbar. Diese ergänzenden Finanzierungsinstrumente reichen jedoch nicht aus, um die Deckungslücke im Nahverkehr vollumfänglich zu schließen.
Bund und Land sind deshalb in der Pflicht, neben der auskömmlichen Finanzierung des Bestandsangebotes die Ausweitung der ÖPNV-Leistungen über eine entsprechende staatliche Finanzierung zu sichern.