Gelsenkirchen | 30. August 2022

9-Euro-Ticket-Aktion - VRR zieht gemischte Bilanz

Am kommenden Mittwoch endet die bundesweite 9-Euro-Ticket-Aktion, die vom Bund als Teil des „Entlastungspakets" ins Leben gerufen wurde. Sie ist von der Branche in Rekordzeit umgesetzt worden. Aus Sicht des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) hat die einfache Regelung und Handhabung des 9-Euro-Tickets einen deutlichen Impuls gesetzt. Die vergangenen drei Monate haben das System des ÖPNV allerdings auch ans Limit geführt. Die Vereinfachung von ÖPNV-Tickets und digitale Zugangsmöglichkeiten für Fahrgäste sind wichtige Faktoren für eine Verkehrswende. Ebenso wichtig ist der Ausbau des Angebots. Und das ist ohne finanzielle Mittel für Personal, Infrastruktur und Fahrzeuge nicht zu realisieren. Für weitere Tarifinitiativen müssen alle Beteiligten diesen Impuls jetzt aufgreifen und im Sinne eines zukunftsfähigen ÖPNV ausgestalten. Denn für die Nahverkehrsbranche ist es wichtig, dass mehr Bundes- und Landesmittel in den Erhalt und den Ausbau des Verkehrsangebotes investiert werden. Daher zieht der VRR eine gemischte Bilanz in Bezug auf das 9-Euro-Ticket.

90 Tage einfacher Preis und überlastete Infrastruktur

Die vergangenen drei Monate haben dem System des ÖPNV seine Grenzen aufgezeigt. Das große Interesse an dem vergünstigten, deutschlandweit gültigen Ticket sorgte im Verbundgebiet für einen großen Ansturm. An großen Bahnhöfen und SPNV-Stationen waren deutlich mehr Fahrgäste unterwegs. Dadurch kam es zu Haltezeitüberschreitungen und Verspätungen. Viele Linien auf der Hauptachse von Düsseldorf durch das Ruhrgebiet waren derart stark belastet, dass Reisende teilweise nicht zusteigen konnten. Die Zahl der Fahrgäste, die mit den Bussen und Bahnen im VRR unterwegs waren, lag im Vergleich zu 2019 teilweise über dem Vor-Corona-Niveau.

„Was bei der ganzen Debatte um das Ticket viel zu kurz kommt, sind die Menschen, die das System aufrechterhalten haben. Sie haben 90 Tage 150-prozentigen Einsatz gezeigt. Für ihren Einsatz und das Engagement während der vergangenen drei Monate möchte ich mich im Namen des VRR gerne bei allen bedanken. Dass das nicht spurlos an ihnen vorbei geht, erfahren wir jetzt. Bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen haben wir eine hohe Krankenquote, die sich derzeit massiv auf die Angebotsqualität niederschlägt“, sagt Gabriele Matz, VRR-Vorstandssprecherin.

In den zurückliegenden drei Monaten sind im VRR mehr als 3,7 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden. Hinzu kamen rund eine Millionen Abonnent*innen, deren Ticketpreise auf monatlich 9 Euro reduziert wurden. Durch den deutlich reduzierten Fahrpreis betrugen die Ersparnisse bei Abotickets bis zu 600 Euro. Fast alle Tickets sind als einzelnes 9-Euro-Ticket verkauft worden. Nur weniger als ein Prozent sind in Form gesondert abgeschlossener Abonnements vertrieben worden, was rund 10.000 Abos entspricht. Ein Fünftel der 9-Euro-Ticket-Käufer*innen kann als Neukund*innen gewertet werden. Je städtischer das Gebiet und die damit verbundene Erschließungsqualität des ÖPNV, umso größer war der Absatz des 9-Euro-Tickets. Das 9-Euro-Ticket führt zu Steigerung der Nutzungshäufigkeit, insbesondere bei Käufer*innen des 9-Euro-Tickets. Zudem sind leichte Verlagerungen zu verzeichnen. Zehn Prozent der Fahrten, die mit 9-Euro-Tickets gemacht wurden, wären mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) gemacht worden, wenn es das 9-Euro-Ticket nicht gegeben hätte. Eine untergeordnete Rolle bei den Käufer*innen des 9-Euro-Tickets spielten Arbeitswege. Die Haupt-Fahrzwecke sind Alltagsfahrten (ohne Arbeitswege) und Besuchsfahrten sowie sonstige freizeitorientierte Wege.

„Drei Monate reichen nicht aus, um langjährige Mobilitätsroutinen als substanziell verändert erkennen zu können beziehungsweise, dass sich Menschen in ihrem Mobilitätsverhalten umentscheiden. Schon gar nicht, wenn die Nutzungskonditionen so erheblich vom Gewohnten abweichen. Der Erfolg der Aktion hängt sicherlich nicht nur vom Preis ab, sondern auch vom Zugang zu den Tickets, vom Angebot, vom Nutzungserlebnis und von seiner Einfachheit. Auch diese Faktoren sind es, die den Maßstab für eventuelle Folgeprodukte darstellen“, sagt José Luis Castrillo, VRR-Vorstand.

Wie schnell eine neuerliche Tarif-Initiative innerhalb des VRR und seiner Verkehrsunternehmen umgesetzt werden kann, liegt an der jeweiligen Ausgestaltung und den Rahmenbedingungen. Sollte es eine nachfolgende Aktion geben, wird der VRR auch diese begleiten und sicherstellen, dass alle Nahverkehrskund*innen profitieren.

Wenn Ende August die Aktion zum 9-Euro-Ticket ausläuft, wird der VRR auf das alte Preisniveau zurückgehen, weil das Geld benötigt wird. Denn der Verbund rechnet damit, dass die Corona-Auswirkungen auch im kommenden Jahr noch nachwirken und die Verkehrsunternehmen die weiter steigenden Energiekosten und die Inflation schultern müssen. Der Verbund geht für das kommende Jahr von einem kurzfristigen Finanzierungsbedarf von circa 300 Millionen Euro aus.

„Jetzt gilt es für alle Beteiligten, nachhaltige Lösungsvorschläge für eine gesicherte und auskömmliche Finanzierung zu erarbeiten, die es den Verkehrsunternehmen ermöglichen, ihre Nahverkehrsleistungen dauerhaft zu sichern und im erforderlichen Maße in Innovationen, Infrastruktur, Fahrzeuge und Betrieb zu investieren“, sagt Gabriele Matz.

Abo-Aktion im NRW-Nahverkehr startet nach dem 9-Euro-Ticket

Die bundesweite 9-Euro-Ticket-Aktion endet am 31. August 2022. Auch danach stehen den Menschen die Türen zum Nahverkehr in NRW offen. Besonders Abonnent*innen profitieren weiterhin, denn der Geltungsbereich vieler Abotickets wird im September und Oktober, an den Wochenenden (Samstag, 3 Uhr bis Montag, 3 Uhr) auf ganz NRW erweitert. In den Herbstferien sowie am Tag der Deutschen Einheit gilt die Erweiterung sogar unter der Woche. Mit dieser Initiative bedanken sich Aufgabenträger, Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen für die Treue der Abonnent*innen und möchten gleichzeitig neue Fahrgäste vom Umstieg auf den klimafreundlichen Nahverkehr überzeugen.

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