Bauhaus-Jubiläum: zeitgenössisch, modern und doch 100 Jahre alt
Vor 100 Jahren als Kunstschule in Weimar gegründet, beeinflusst das Bauhaus noch heute Designer und Architekten. Kommen Sie mit auf unsere Bauhaus-Route und lassen Sie sich von den Ideen des Bauhauses beeindrucken! Von Krefeld über Bottrop nach Hagen – im Verbundgebiet gibt es einiges zu entdecken. In Krefeld stehen die besten Beispiele für zwei Bauhäuser in unserer Region: die zwei Backsteinbauten Haus Esters und Haus Lange. Entworfen wurden sie von Ludwig Mies van der Rohe, dem letzten Direktor des Bauhauses. Heute gehören sie zu den Kunstmuseen Krefeld. Zum Jubiläum haben wir ein Interview mit Katia Baudin, der Direktorin der Kunstmuseen geführt.
„Moderne Wohnkonzepte, die bis heute inspirieren“ - ein Interview mit Katia Baudin, Direktorin der Kunstmuseen Krefeld
Das Bauhaus wird in diesem Jahr 100 Jahre alt! Ganz Deutschland feiert das Jubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen und Ausstellungen. Doch was war eigentlich die Grundidee des Bauhauses? Warum ist es bis heute so beliebt? Katia Baudin, Direktorin der Kunstmuseen Krefeld, hat uns im Interview ein wenig über das Bauhaus erzählt.
Frau Baudin, bitte erläutern Sie uns ganz kurz: Was ist eigentlich „Bauhaus“?
Das Bauhaus wurde 1919 als eine Hochschule für Gestaltung in Weimar gegründet. Ihr Ziel war es, Kunst, Architektur und Handwerk zusammenzubringen. Durch eine spartenübergreifende Ausbildung in Lehre und Praxis sollten junge, begabte Männer und Frauen neue, zeitgemäße Lösungen und Produkte für den Alltag entwickeln.
„Bauhaus“ ist nicht nur ein Architekturstil. Wo findet man Bauhaus noch?
Bauhaus, wie gesagt eine Kunstgewerbeschule, wird oft etwas vereinfachend als modernistischer Architekturstil verstanden. Tatsächlich ist Architektur die wichtigste Grundlage des Bauhauses. Architektur schafft den Überbau, der die verschiedenen Künste von Malerei und Bühne über Textilien bis zu Möbel und Geschirr unter seinem Dach vereint. Von daher ist es sicherlich kein Zufall, dass alle drei Bauhaus-Direktoren Architekten waren.
Was ist das Besondere und Markante an den durch das Bauhaus geprägten Produkten?
Eine klare, oft geometrische Formgebung und Funktionalität – das ist, was die Bauhaus-Architekten, -Künstler, -Produktentwickler verbindet. Stilbegriffe, mit denen sich diese Prinzipien beschreiben lassen, sind etwa „Neue Sachlichkeit“, „Neues Bauen“ oder der „International Style“. Die Architektur eines Hauses sollte möglichst rational sein. Das bedeutet: natürliches Licht optimal für die Helligkeit eines Hauses zu nutzen oder die Wände möglichst schlicht zu gestalten. Hierfür lässt sich Mies van der Rohes Motto aufgreifen: Less is more, weniger ist mehr.
In diesem Jahr wird das Bauhaus 100 Jahre alt und ist noch immer zeitgemäß. Warum?
Die modernen Wohnkonzepte, die am Bauhaus entwickelt wurden, sind auch noch heute inspirierend: große Fenster, verputzte Wände ohne Tapete, klare Strukturen ohne Stuckverkleidungen sowie ans Haus angeschlossene Garagen. All diese Elemente finden sich heute bei vielen Neubauten oder Renovierungen wieder.
Gegründet wurde das Bauhaus in Weimar und zog später nach Dessau und Berlin. Was hat es auch im Westen so beliebt gemacht?
Die Ideen des Bauhauses fielen auch deshalb auf so fruchtbaren Boden, weil sie bereits durch Konzepte des Deutschen Werkbundes und seiner Reformen in Kunst, Architektur, Handwerk und Industrie vorbereitet worden waren. Zahlreiche Zentren dieser Bewegung gab es vor dem Ersten Weltkrieg im Westen Deutschlands. Später haben vor allem die Schüler des Bauhauses die Ideen verbreitet. Darüber hinaus waren es gezielte Aufträge, die in verschiedenen Städten Deutschlands eine Spur des Bauhauses hinterließen. So zum Beispiel in Krefeld.
Krefeld ist im Westen ein wichtiger Standort der Bauhaus-Bewegung. Welches sind die wichtigsten Bauhaus-Gebäude und -Sehenswürdigkeiten der Stadt?
Ganz klar: Haus Esters und Haus Lange. Die beiden Krefelder Textilfabrikanten Hermann Lange und Josef Esters ließen Ende der 1920er Jahre ihre Wohnhäuser von Ludwig Mies van der Rohe, dem letzten Direktor des Bauhauses, entwerfen. Ebenso baute Mies van der Rohe sein einziges Industriegebäude für die Vereinigten Seidenwebereien hier in Krefeld.
Welche Städte in der Region sind ebenfalls wichtige Bauhaus-Standorte?
Der Bauhaus-Schüler Wilhelm Wagenfeld hat nach Ende des zweiten Weltkrieges zahlreiche Alltagsobjekte aus Glas entworfen, die die Firma Peill & Putzler Glashüttenwerke GmbH in Düren produziert hat. Außerdem ist Hagen ein spannender Ort, um sich die Vorläufer der Bauhaus-Idee anzusehen. Hier steht zum Beispiel die Jugendstil-Villa des Folkwang-Museumsgründers Karl Ernst Osthaus, erbaut von Henry van de Velde, einem der bedeutendsten Architekten und Künstler dieser Epoche.
In der FreizeitLust stellen wir die Ausstellung in Haus Esters und Haus Lange, das Joseph Albers Museum im Quadrat in Bottrop und das Villenviertel Hohenhof in Hagen vor. Welche anderen Bauwerke und Sehenswürdigkeiten sollten sich Bauhaus-Interessierte nicht entgehen lassen?
Natürlich gibt es viele interessante Orte in der Region, wie etwa den Peter Behrens-Bau in Oberhausen oder die Zeche Zollverein in Essen. Für einen Bauhaus-Tag in Krefeld kann ich noch den Mies van der Rohe Business Park mit dem erwähnten Industriegebäude, den Schütte-Pavillon und das Kaiser Wilhelm Museum empfehlen, wo ebenfalls eine Ausstellung zum Thema Bauhaus aus unseren eigenen Beständen stattfindet.
Wir danken Ihnen für das Gespräch, Frau Baudin.
Kurz-Vita
Katia Baudin, 1967 im französischen Neuilly-sur-Seine geboren, leitet seit 2016 die Kunstmuseen Krefeld. Sie hat in New York und Paris Betriebswirtschaftslehre und Kunstgeschichte studiert, war Direktorin des Kunst und Design Museums FRAC Nord-Pas de Calais in Dünkirchen, Rektorin der Straßburger Kunstakademie und Stellvertretende Direktorin des Museums Ludwig Köln.