Verkehrswende: Eine Aufgabe für jeden von uns
Der Verkehr in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Er muss die Mobilität der Menschen sichern und den Wirtschaftsstandort stärken, gleichzeitig aber verantwortungsvoll mit der Gesundheit der Menschen und natürlichen Ressourcen umgehen. Damit dieser Spagat gelingt, brauchen wir eine Verkehrswende, die den Öffentlichen Verkehr stärker in den Fokus rückt.
Jeder muss mobil sein
Unser Mobilitätsbedarf ist enorm. Junge Leute müssen zur Schule, zum Ausbildungsplatz oder zur Uni. Arbeitnehmer pendeln zum Job und legen dabei immer öfter sehr lange Distanzen bis zum Arbeitsort zurück: weil Wohnraum mancherorts knapp und teuer ist oder manchmal schlicht deshalb, weil sie ihre Heimat lieben und nicht wegziehen möchten. Unternehmen wiederum sind gezwungen, Fachkräfte auch außerhalb ihres direkten Einzugsgebietes zu suchen. Sie sind also darauf angewiesen, dass qualifizierte Mitarbeiter auch längere Arbeitswege problemlos bewältigen können. Und natürlich möchte jeder auch in seiner Freizeit mobil sein und das Leben aktiv gestalten. Entsprechend ächzen Ballungsgebiete wie der VRR unter dem hohen Verkehrsaufkommen: Staus verstopfen die Straßen, Abgase verpesten die Luft. Die Politik reagiert und plant, bis 2050 die Treibhausgasemissionen in Deutschland um mindestens 80 Prozent zu senken. In einigen Städten wurden inzwischen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängt.
Öffentlicher Verkehr als Dreh- und Angelpunkt der Verkehrswende
Es ist völlig egal, ob man sich aus beruflichem oder persönlichem Interesse mit Verkehr und Mobilität beschäftigt: Inzwischen sollte jedem bewusst sein, dass unsere mobile Zukunft nicht länger die Fortschreibung der Gegenwart sein kann. Vielmehr müssen sich Gesellschaft und Mobilität grundlegend wandeln. Wir brauchen eine Verkehrswende, um dem Mobilitätsbedarf auch zukünftig gerecht zu werden und gleichzeitig die anspruchsvollen Klima- und Umweltschutzziele erreichen zu können – insbesondere in einem so dicht besiedelten Gebiet wie dem VRR. Der Öffentliche Verkehr spielt dabei eine ganz zentrale Rolle.
Innovative Antriebstechnologien schaffen neue Möglichkeiten
Immer wieder hört und liest man von WLAN und dem Breitbandausbau, vom autonomen Fahren und der „Digitalen Schiene“ auf Basis der digitalen Leit- und Sicherungstechnik ETCS, einem neuen Technikstandard für Deutschland und ganz Europa. Open Data, On-Demand-Verkehrskonzepte und verschiedene Sharing-Modelle, die dem Trend „Nutzen statt Besitzen“ folgen, sind in aller Munde. Diskutiert werden der Deutschlandtakt, der Infrastrukturausbau und die verstärkte Elektrifizierung der Schienenwege. Denn die Mobilitätswende ist nicht zuletzt eng mit einer erfolgreichen Energiewende verknüpft. Also mit der Frage, ob es uns gelingt, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden und den Öffentlichen Personennahverkehr nach und nach auf klimafreundliche Antriebstechnologien umzustellen. Die Aufzählung ist längst nicht abschließend, dennoch bekommt man ein Gespür für die spannenden Zeiten mit großen Herausforderungen für unsere Branche – und natürlich auch für den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Wir freuen uns auf diese Herausforderungen, denn sie beschreiben den richtigen Weg für die notwendige Verkehrswende.
Digitalisierung im ÖPNV: Neue Möglichkeiten für Tarif, Vertrieb und die Vernetzung von Mobilitätsangeboten
Die gesamte Branche befindet sich mit ihren Lösungsansätzen auf einem guten Weg, wenn auch noch sehr am Anfang. Wenn wir dies ändern wollen, dann müssen wir besser und schneller werden. Denn ein weiterer Treiber der Verkehrswende sind die sich verändernden Rahmenbedingungen: vom demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel bis hin zu den immer kürzer werdenden Innovationszyklen. Denn was heute als Stand der Technik gilt, ist „gefühlt“ morgen schon veraltet.
Wir möchten den Modal Split zugunsten des ÖPNV verändern und mehr Menschen für Bus und Bahn begeistern. Ziel ist es, die unterschiedlichen Mobilitätsangebote sinnhaft zu kombinieren und mit den Möglichkeiten digitaler Technologien zu vernetzen. Wir müssen Barrieren abbauen, beispielsweise durch neue und einfache Tarif- und Vertriebssysteme, die es den Menschen leicht machen, Bus und Bahn zu nutzen. Außerdem müssen wir die Kapazitäten im ÖSPV und im SPNV deutlich ausweiten. Gelingen wird dies allerdings nur, wenn in erforderlichem Maße in Infrastrukturen und Fahrzeuge investiert wird.
Wir müssen Verkehr in allen Facetten neu denken. Dies schließt ein, dass wir den öffentlichen Verkehrsraum neu aufteilen und mehr Platz schaffen für die Verkehrsträger des Umweltverbundes, im Fall der Fälle auch zum Nachteil des motorisierten Individualverkehrs. Ein Umdenken beispielsweise bei der Parkraumbewirtschaftung wäre sinnvoll. Denn wenn wir mit viel Anstrengung den ÖPNV attraktiver machen wollen, dann müssen wir auch den Mut aufbringen, den innerstädtischen Individualverkehr unattraktiver zu machen. Wenn Pkws an Werktagen durchschnittlich etwas mehr als 23 Stunden stehen und in Innenstädten parken, das Parkticket gleichzeitig aber weniger kostet als das günstigste ÖPNV-Ticket, dann ist das ein Anachronismus in Reinform.
Mobilität von morgen als Gemeinschaftsaufgabe
Verkehrsverbünde, Verkehrsunternehmen und die anderen Akteure aus der Mobilitätsbranche müssen die Verkehrswende aktiv gestalten – und zwar im Schulterschluss mit der Politik, die auf allen Ebenen die nötigen Rand- und Rahmenbedingungen schaffen muss. Eine zukunftsfähige Mobilität gibt es nicht zum Nulltarif und kann nicht allein durch Ticketverkäufe refinanziert werden. Bund, Land und Kommunen müssen die Finanzierung der Nahverkehrsleistungen nachhaltig ausbauen und im erforderlichen Maße Investitionen in Infrastruktur, Fahrzeuge und Betrieb fördern.